Anno dazumal am Semmering
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Herzlich Willkommen
Auf diesen Seiten soll der Semmering der vorigen Jahrhundertwende lebendig werden.
Grundlage ist das Illustr. Österr. Sportblatt, das im frühen 20. Jahrhundert immer ausführlich
von den (winter)sportlichen Ereignissen am Semmering berichtete.
“Man möchte gerne den Semmering als österreichisches St. Moritz bezeichnen, als
Wintersport-Tummelplatz par exzellence. Die Berechtigung zu dieser Prädikatsverleihung
gibt uns wohl der Hauch des fashionablen Internationalismus, den der Sportsman dort oben
wahrzunehmen vermag. In der Tat der Semmering ist zumindest unser erster
Wintersportplatz und er mag in erfolgreiche Konkurrenz mit so manchem internationalen
Sportplatze treten; seien wir nicht zu bescheiden, begnügen wir uns nicht mit schüchternen
Parallelen; der Semmering gibt vielleicht nur deshalb nicht seinen vollen Wert, weil - er unser
ist.
So sei denn auch dieses Wort für ihn keineswegs ein Panegyrikon eines Lokalpatrioten, aber
auch kein verschüchtertes heimliches Lied. Nur eine Propaganda, die wir jederzeit
rechtfertigen können. Wir können dies, wir kennen die Vorzüge des Semmerings.
Ein Witzbold erzählte einmal von einer Gedenktafel bei einem schönen Aussichtspunkte; auf
dieser wäre zu lesen gewesen: „Diesen schönen Rundblick schuf Gottes Natur und der hiesige
Verschönerungsverein." Wir travestieren diese Ironie und sagen: Was den Semmering so
unendlich schön macht das ist er selbst und ein wenig auch jener „Verschönerungsverein“. So
bequem wird es dem verwöhnten Großstadtkind gemacht, man rückt ihm sozusagen die Ski-
und Rodelflächen zum Waggon. Der Schnellzug hält inmitten einer bezaubernden Szenerie
im Herzen eines Bergriesen, der sein verschneites Terrain darbietet. Auf der internationalen
Route, die jährlich so und so viele Hochzeitspärchen nach dem Süden bringt, nach dem
sonnigen Italien und dem Lande der Pyramiden. Da hält der Expreßzug zwei Stunden nach
dem Verlassen des Weichbildes der Stadt Wien auf dem Semmering. In Wien noch
Großstadtnebel, die schwere Luft, wenig Sonne für die dahinhastende Menge und nach einer
Stunde im warmen Coupé inmitten der Romantik der Alpen,. wo der Blick sich weitet, die
Lunge aufatmet, wo die Freiheit wohnt. So bequem hat es jener große
„Verschönerungsverein“ gemacht, Alles so schön arrangiert, den alten Vereinsmeier drängt es
fast, in der bekannten Weise den Veranstaltern Dank und Anerkennung zu votieren.
Fashionabel ist es dort oben, wenn auch auf der Schneefläche eigentlich der soziale
Unterschied schwindet, namentlich beim Sturz...”
(Illustriertes Österreichisches Sportblatt, 19. Jänner 1908, S. 2)